Wir feiern unsere Gottesdienste sonntags um 10 Uhr.
Das Tragen eines Mund- und Nasenschutzes ist freiwillig.
Sonntag Invokavit, den 26. Februar 2023
Predigt
Liebe Gemeinde,
die schlechten Nachrichten scheinen im Moment ein gutes Leben zu haben.
Sie vermehren sich, wie die Karnickel,
fast täglich wird von einer neuen Katastrophe berichtet
und diese Katastrophen sind viel fetter, als die, die wir in den letzten Jahren zu verkraften hatten.
Es kommen täglich neue „Hiobsbotschaften“.
Wisst ihr was das ist, liebe Konfis?
Wisst ihr, was eine „Hiobsbotschaft“ ist?
Eine Hiobsbotschaft ist eine sehr schlechte Nachricht.
Stell dir vor, du stehst in Mathe auf der Kippe zwischen 4 und 5,
in Englisch auch und in Deutsch ebenfalls.
Nicht ganz unwahrscheinlich, oder???
Die Versetzung ist gefährdet.
Da kommt der Lehrer auf dich zu und du siehst schon an seinem Blick, dass er eine Hiobsbotschaft überbringen muss.
Deine Welt bricht für einen Moment zusammen.
Und dabei hattest du so fleißig gelernt,
hast so gehofft, dass es diesmal klappt,
ja, hast sogar gebetet.
Aber am Ende hat all das nicht geholfen.
Warum???
Warum, Gott, tust du mir das an??
Warum lässt du all das Leid in der Welt zu?
Das Alltagsleid, wie eine 5 in Mathe
genauso wie den Horror, den Menschen gerade in Syrien erleben,
in der Türkei,
in der Ukraine,
in Neuseeland,
in Haiti
oder all den anderen vielen Orten, an denen Menschen vor den Trümmern ihres Lebens stehen.
Warum Gott??
Und auch wir fragen so, obwohl wir nur Zuschauer sind
und uns zum Glück gar nicht vorstellen können, wie es einem Vater geht, der unter den Trümmern seines Hauses seinen kleinen Sohn vermutet.
Von diesem Leid hören wir nur und dennoch trifft es uns ins Herz.
Und auch wenn wir Gott nicht gleich verfluchen und in die Wüste schicken,
suchen wir nach Antworten.
Eine beliebte Antwort lautet: Gott straft uns.
Er straft unsere Faulheit mit der fünf in Mathe,
er straft die Menschen, die seine Natur mit Füßen treten,
er straft die ganze Menschheit, weil sie seinen Willen missachtet.
Natürlich wollen wir uns verteidigen
„Ich habe ganz viel gelernt! Das habe ich diesmal wirklich nicht verdient!
„Ich kaufe immer Bio und achte auf die Natur!“
„Ich gehe in den Gottesdienst, bete und spende,
ich glaube an Gott!“
Wenn es eine Strafe ist, ist Gott ungerecht! Ich habe alles richtig gemacht!!
So und jetzt kommen wir zu Hiob.
Hiob ist ein Buch im Alten Testament das auch überschrieben sein könnte mit den Worten:
Ein Theater-Lehrstück für Menschen, die alles richtig gemacht haben.
1. Akt: Der Vorhang öffnet sich halb, zu sehen ist Hiob.
Ein reicher Mann!
Von Gott gesegnet mit allem, was ein Mensch sich wünschen kann.
Er hat 7000 Schafe, 3000 Kamele, 1000 Rinder, 500 Eselinnen,
Natürlich ist das alles etwas übertrieben, schließlich handelt es sich ja um ein Theaterstück.
Er hat 7 Söhne und drei Töchter und eine gute Frau.
Früh morgens steht Hiob auf und dankt als erstes Mal Gott für sein Leben.
Er bringt sogar ein Opfer, das Gott gut gefallen soll.
Schön!!
Schöne Szene!!
Doch dann bewegt sich der Vorhang und die andere Hälfte der Bühne wird in helles Licht getaucht.
Zu sehen ist Gott
ups, den darf man doch gar nicht darstellen?!
Aber es ist ja zum Glück nur ein Theaterstück, vielleicht ist es da erlaubt.
Und:
Zu sehen ist der Teufel.
Ihr denkt jetzt bestimmt an den haarigen Klumpfuß,
mit Schwanz und Buckel
und zwei roten Hörnern auf dem Kopf.
Aber den gab es damals noch gar nicht.
Ich glaube der wurde erst im Mittelalter erfunden.
Hier ist der Teufel keine Gestalt sondern eher „der Zweifel“.
Und seine „Gestalt“ durchläuft verschiedene Stadien:
Zuerst erinnert der Teufel an einen persischen Inspekteur, der das Land durchstreift und nach dem Rechten sieht,
Dann wird er „Durcheinanderbringer“ genannt
und er bringt sogar Gott in Versuchung zu zweifeln.
Er fragt: Ist Hiob denn umsonst fromm?
Das heißt:
Ist seine Liebe zu dir bedingungslos oder erwartet er für seine Treue eine Gegenleistung von dir?
Und dann wird der Teufel zum Verursacher der Leiden des Hiobs – weil: ...
Gott es ihm erlaubt!!!
Wir sitzen in der ersten Reihe und können nicht glauben, was uns da geboten wird!
Ist das Wirklichkeit oder Spiel?
Ist das frei erfunden, oder müssen wir das glauben?
Kann das sein, dass Gott in Versuchung geführt wird?
Nein!
Es ist ein Lehrstück.
Die Charaktere werden überzeichnet, damit wir etwas lernen.
Hiob ist sehr fromm und
Gott ist sehr stolz auf seinen Hiob.
Er ist Gottesfürchtig und dankbar.
„Klar!“ erwidert der Teufel, „es geht ihm ja auch gut!“
Nimm ihm alles, was er hat und du wirst schon sehen, wie gottesfürchtig er ist.“
Das Licht geht aus
und wechselt zur anderen Seite.
Hiob sitzt in seinem Garten.
Ein Bote kommt und bringt ihm die erste Hiobsbotschaft.
„Herr, alle deine Tiere sind durch eine Seuche verendet, du bist arm wie eine Kirchenmaus.“
Hiob trauert!
Da kommt auch schon der zweite Bote mit der nächsten Hiobsbotschaft:
„Herr, dein Haus ist eingestürzt und alle deine Kinder sind gestorben.“
Hiob weint!
Und sagt:
Der Herr hats gegeben, der Herr hats genommen: der Name des Herren sei gelobt!“
Licht aus!
Es wechselt zur anderen Seite:
„Siehst du!“ freut sich Gott! „Er hält zu mir!“
„Gut!“ erwidert der Teufel
„aber ich bin mir ganz sicher, er schießt dich in den Wind, wenn du ihm selbst ans Fell gehst.“
„Wir werden sehen“, sagt Gott, „Mach mit ihm, was du willst, aber lass ihn am Leben.“
Wir sitzen in der ersten Reihe und spüren eine Mischung aus Mitleid, Wut und Verzweiflung.
Was ist das für ein Gott??
Und kaum haben wir diesen Gedanken gedacht und haben uns innerlich von Gott distanziert,
hören wir Hiob jammern.
Er ist übersät mit eitrigen Geschwüren, die so sehr jucken, dass er sich mit einer Tonscherbe kratzen muss, um das Leid ertragen zu können.
Der Arme,!!!
Er windet sich in seinem Schmerz
und wird zum Sinnbild für all die Kranken dieser Welt, die ihrem Schicksal nicht entfliehen können.
Der Zuschauer kann kaum hinsehen,
Hiob erinnert an zerfetzte Soldaten im Krieg,
an Minenopfer,
verstümmelte Frauen,
an geschlagene, fast verhungerte Kinder.
„Vorhang zu!“, möchte man brüllen,
oder die Hände vor die Augen legen, damit man das Elend nicht sehen muß,
aber damit wird man der Wirklichkeit nicht gerecht?
Ist Gott daran Schuld?
Will uns das die Hiobsgeschichte sagen?
Oder können wir die Schuld auf den Teufel schieben?
Wer ist Schuld?
Auf diese Frage bekommen wir in diesem Theaterstück keine Antwort.
Sondern das Theaterstück fordert uns Zuschauer heraus, über die Frage nachzudenken:
Was macht dieses unglaubliche Leid mit unserer Liebe zu Gott?
Wie beeinflusst es unsere Beziehung zu Gott?
In unserem Lehrstück, stellt Hiobs Frau die Entscheidende Frage:
Hältst du noch fest an deiner Frömmigkeit?
Und sie sagt ihm ihre Meinung: Verfluche Gott und stirb!
Wahrscheinlich würden wir den zweiten Teil des Satzes weg lassen, aber „verfluche Gott“
schieß ihn in den Wind,
pfeife auf ihn,
sagen viele Menschen in dieser Zeit.
Wenn es Gott gäbe, dürfte er nicht so viel Leid zulassen! Ist inzwischen eine gängige Meinung.
Hiob antwortet als kleines Häufchen Elend,
mitten aus dem Dreck:
Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen?
Hiob erkennt Gott als den Urheber der gesamten Wirklichkeit an.
Seine Beziehung zu ihm bleibt bestehen – ganz gleich ob er von ihm Gutes oder Schlechtes empfängt.
Wahnsinn, denkt der Zuschauer!
So will ich auch glauben!
Hiob soll mein Vorbild sein.
Und damit könnte das Stück zu ende sein.
Alle würden klatschen
und sich freuen über dieses Happy-Ende.
Es wäre eine schöne Geschichte mit einer netten Botschaft:
Glaube an Gott ohne eine Gegenleistung zu erwarten.
Doch das Stück ist noch nicht zu Ende,
ganz im Gegenteil, es nimmt gerade erst Fahrt auf:
Gott und der Teufel verschwinden von der Bühne und drei Freunde von Hiob tauchen auf.
Sie wollen ihn trösten,
sie wollen ihm beistehen.
Sie schweigen mit ihm eine kleine Ewigkeit lang,
halten das Leid mit ihm aus
und geben ihm Raum zur Klage.
Der Zuschauer ahnt nichts Gutes.
Was soll da jetzt kommen?
Und schon erhebt Hiob seine Stimme
und fängt an zu klagen.
Denn so leicht, wie wir uns das im Glauben zurecht legen, ist bedingungslose Liebe nicht in der Wirklichkeit.
Hiob verflucht den Tag seiner Geburt.
Er verflucht nicht seinen Gott,
aber legt schonungslos dar, dass ihm, seiner Meinung nach, Unrecht zugefügt wurde.
Die Freunde versuchen Hiob mit der klassischen Lehre vom Zusammenhang von Tun und Ergehen zu trösten.
Sie sagen: Gott ist gerecht!
Wenn ein Mensch leidet, wie du, dann muß er das irgendwie verdient haben.
Hiob soll seine Schuld – und sei sie noch so verborgen – eingestehen, dann wird Gott ihm wieder gnädig sein.
Wenn – dann!
Das ist die Ebene, auf der wir Menschen mit Gott agieren.
Wenn ich das und das tue – dann musst!! du….
Das ist ein Handel,
eine Bestechung,
ein Abkommen, aber keine Liebe.
Hiob lehnt das ab, statt dessen wendet er sich Gott zu und schüttet ihm auf brutal ehrliche weise sein Herz aus.
Der ganze Schmerz eines leidenden Menschen wird laut.
Hiob schreit, „mich ekelt mein Leben an!“
er weint,
klagt an.
„Warum bleiben die Gottlosen am Leben, werden alt und nehmen an Kraft zu?“
Warum diese Ungerechtigkeit?
Dabei nimmt er aber Gott als den Allmächtigen ernst.
Er nimmt ihn ernst in seinen Zusagen und Verheißungen,
wendet sich keine Sekunde von ihm ab,
sondern konzentriert sich ganz und gar auf ihn.
Gott ist für Hiob nicht nur der Geber guter Gaben,
er ist nicht der Wunscherfüller,
Er ist der Grund,
der Sinn
und das Ziel seines Lebens
ganz gleich wie schwer und ungerecht dieses Leben ist
und deshalb muss Gott ihm zuhören und sich seine Klage gefallen lassen.
Und Gott läßt es sich gefallen.
Er antwortet ihm, indem er ihm klar macht, dass die Weisheit Gottes unsere Vernunft weit übersteigt.
Der Mensch kann mit seinem Verstand Gott nicht ergründen.
Und so sehr er sich auch bemüht, die Grenze zwischen Göttlicher Weisheit und menschlichem Wissen zu durchbrechen, so oft wird er scheitern.
Die Frage nach dem „Warum“ wird immer unbeantwortet bleiben, aber die Tatsache, dass Gott uns treu bleibt, gilt für alle Ewigkeit.
Das erlebt Hiob
und deshalb gibt es zwischen Hiob und Gott kein „Wie du mir- so ich dir“ mehr, sondern eine tiefe bedingungslose gegenseitige Zuwendung.
Er vertraut Gott umsonst! Ganz ohne irgendeine Gegenleistung zu erwarten.
Herr, ich verstehe deine Wege nicht…
… aber du weißt den Weg für mich.
So formulierte Dietrich Bonhoeffer diese Liebe im Gefängnis.
Und Paulus schreibt:
Die Liebe erträgt alles,
sie glaubt alles,
sie hofft alles,
sie duldet alles;
die Liebe hört niemals auf.
Aber beide, sowohl Bonhoeffer wie auch Paulus, wissen, dass der Mensch zu solch einer Liebe nicht durchgängig fähig ist.
Hier im Theaterstück kann die Kunstfigur Hiob solch einen Glauben aufbringen,
der Mensch aber,
der echte Mensch, wie du und ich,
wir werden an den Verführungen, Versuchungen und Anfechtungen des Lebens immer wieder scheitern.
Der Zweifel hat große Macht über uns.
Deshalb wurde Gott Mensch und überwand alle Anfechtung,
alle Verführung,
alle Versuchung
und lies den Zweifel verstummen.
Wir haben es eben in der Schriftlesung gehört:
Jesus gibt dem „Durcheinanderbringer“ keine Chance.
Er wird zum Schweigen gebracht.
Jesus vertraut „umsonst“,
liebt Gott ohne eine Gegenleistung zu erwarten,
Er erträgt alles,
er hofft alles,
er glaubt alles
und duldet alles, nicht nur in der Wüste, sondern auch am Kreuz.
Er liebt bedingungslos, damit wir gerade im Leid auf sein Kreuz schauen können und wissen:
Gott hat uns nicht verlassen.
Es gibt zwar leider in dieser Welt den absoluten Tiefpunkt an dem nur noch die Klage hilft:
„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“
Aber in dieser Zuwendung zu Gott, die auch in der Klage steckt
werden wir seine „Kraft der Auferstehung“ erleben.
Wie Hiob.
Er hat in seiner verzweifelten Konfrontation mit Gott,
seinen Gott erst richtig gefunden:
Ich weiß, dass mein Erlöser lebt und als der letzte wird er sich über den Staub erheben.
Ist meine Hand auch noch so zerschlagen und mein Fleisch dahingeschwunden, so werde ich doch Gott sehen.“
Der Zuschauer staunt und schweigt verdattert.
Vielleicht ist es jetzt gar nicht mehr wichtig, dass Hiob am Ende des Theaterstückes wieder gesund wird,
dass er 14 000 Schafe bekommt
und 6000 Kamele 2000 Rinder, drei wunderschöne Töchter und sieben Söhne.
Dass er 140 Jahre alt wird und alt und Lebens satt stirbt.
Da zwinkert uns nochmal der Versucher zu -
- als ob dies alles wichtig wäre.
Wichtig ist doch nur die Liebe
– umsonst!!
Und der Friede Gott, der höher ist als unsere Vernunft bewahre unsere Hoffnung, festige unseren Glauben und mache uns in der Liebe stark.
Amen